Stephen King – The Stand 1

Captain Trips – so nennt sich ein neues Virus, das gerade dabei ist, die gesamte Menschheit auszurotten. Doch einige wenige Menschen da draußen sind dagegen immun, und zwar vollständig. Selbst eine direkte Injektion des Erregers führt bei ihnen nicht zur Infektion. Das Fatale dabei: Das Virus wurde speziell als Biowaffe in einem amerikanischen Labor gezüchtet. Doch es ging etwas schief, und ein Mitarbeiter infizierte sich. Die Folge: Er trug den Tod in die Welt hinaus, wo er sich rasend schnell verbreitete. Doch was ist mit den Menschen, die überleben? Und warum haben sie alle dieselben merkwürdigen Träume?

Vom Roman zum Comic

Mit “The Stand” adaptiert Autor Roberto Aguirre-Sacasa zusammen mit Zeichner Mike Perkins einen der beliebtesten Romane von Stephen King in das Medium Comic. Bei einer Adaption stellt sich natürlich immer die Frage, wie getreu die Vorlage umgesetzt wird. Das kann ich in meiner Review leider nicht wirklich beantworten, da ich den Roman nie gelesen habe. Dennoch ist mir eine Sache aufgefallen, die im Buch vermutlich organischer gelöst wurde: der generelle Lesefluss.
Im Laufe des Comics werden viele Handlungsstränge verschiedener Personen an unterschiedlichsten Standorten erzählt. Leider wechselt die Handlung sehr schnell und oft abrupt zwischen diesen Figuren hin und her – teilweise innerhalb weniger Seiten. Mir fiel es dadurch schwer, die einzelnen Fragmente immer wieder zusammenzusetzen, und ich wurde öfter aus dem Lesefluss gerissen. Das wird mit der Zeit zwar besser, fühlt sich aber nie ganz rund an. Ich vermute, dass sich die Roman-Vorlage für die einzelnen Figuren mehr Zeit lässt und der ständige Wechsel dort nicht so hektisch wirkt.

Die Figuren im Mittelpunkt

Worauf King bei “The Stand” offensichtlich sehr viel Wert legt, sind seine Charaktere. Er gibt jeder einzelnen Figur sehr viel Hintergrund und Eigenständigkeit. Das macht die Personen greifbar und ihr Handeln nachvollziehbar. Viel Text wird dabei über eine Erzählerstimme (Captions) vermittelt, die immer wieder die Gedanken und Herangehensweisen der Figuren kommentiert. Gut geschriebene Dialoge schmücken die ohnehin spannende Handlung weiter aus. Hier zeigt sich, was King besonders macht und wieso er zu den bedeutendsten Autoren unserer Zeit gehört: Er verliert nie den roten Faden aus den Augen, den er geschickt um alle Figuren legt, bis sie nach und nach ihre Verbindung finden und Teil des großen Ganzen werden. Das sorgt für eine packende und vor allem glaubhafte Geschichte.

Infizierte Bilder

Die optische Umsetzung von Mike Perkins ist sehr gelungen und setzt auf einen realistischen Stil. Alles sieht sehr detailliert und gut ausgearbeitet aus; die Figuren haben einen hohen Wiedererkennungswert. Die Kolorierung von Laura Martin ist dabei sehr unaufgeregt und wirkt meistens eher blass als farbenfroh – was aber perfekt zur Endzeit-Stimmung passt. Erinnert stark an die Optik aus Preacher. Besonders hervorstechend sind die Traumsequenzen, die sich optisch abheben und eine Gruselstimmung mit einbringen. Generell fand ich die Bilder sehr stimmig und passend, auch wenn sie für mich kein absolutes visuelles Feuerwerk waren. 

Mein Fazit

Mit “The Stand” liefert das Künstlerteam eine Umsetzung, die zumindest für mich als Nicht-Kenner der Vorlage durchaus funktioniert. Zugegeben: Die Handlung baut sich im ersten Band erst so richtig auf und wird mit der Fortsetzung sicherlich noch ordentlich anziehen. Dennoch konnten mich der Comic und seine Charaktere überzeugen. Einzig der abgehackte Lesefluss hat mich gestört, und auch die Zeichnungen hätten hier und da noch etwas mehr Wow-Effekt vertragen können – aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was die Fortsetzung bereithält. Aber so wie ich Stephen King einschätze, wird die Situation noch völlig eskalieren.

Meine Bewertung:

8/10 kleine Reagenzgläser