| Autor:In: | Lukas Jüliger |
| Zeichner:In: | Lukas Jüliger |
| Verlag: | Reprodukt |
| Genre: | Drama |
| Seiten: | 64 |
| Format: | Hardcover |
| Preis: | 12,00 € |
Triggerwarnung: In diesem Comic werden Themen wie Depression, Selbstverletzung, Suizid und soziale Ängste explizit thematisiert.
Vom Leben gezeichnet, lebt ein junger Mann isoliert in seinem Zuhause. Er empfindet sich selbst als Enttäuschung für seine Familie, insbesondere für seinen Vater. Um der Realität zu entfliehen, flüchtet er sich ins Internet, verliert sich zwischen League of Legends und Camgirls. Dazu gesellt sich ungesundes Essen als Trostspender. Doch als er eines Tages ein besonderes Camgirl wiedererkennt, schöpft er neuen, fast manischen Lebensmut. Aber nicht nur er hat mit seinen Dämonen zu kämpfen.
Die etwas andere Adaption
Lukas Jüliger ist ein von mir sehr geschätzter deutscher Comic-Autor und Zeichner. Seine bisherigen Werke wie Vakuum und Unfollow haben mich sowohl auf visueller als auch auf textlicher Ebene stark begeistert.
Mit “Berenice” adaptiert der Autor eine Geschichte von Edgar Allan Poe auf eine ganz besondere Art. Er nimmt den Kern der Erzählung und verpackt ihn in ein modernes und vor allem hochaktuelles Gewand. Bereits beim Lesen des Einleitungstextes fällt auf, dass dies oberflächlich nichts mehr mit einer Geschichte aus dem 19. Jahrhundert zu tun hat. Wobei das nicht ganz stimmt: Der Kern und die beklemmende Moral der Vorlage finden hier sehr wohl statt.
Von Poe zu Jüliger
Besonders bei den entscheidenden Punkten ähneln sich die Geschichten dann doch sehr. Beide Hauptcharaktere sind zerrissene Seelen, die unter Krankheiten leiden. Jüliger hat sich hierbei deutlich mehr auf psychische als auf physische Erkrankungen fokussiert, was den Zeitgeist und die Aktualität der Handlung perfekt trifft. Und dann ist da das Finale, bei dem sich die Handlungen nahezu identisch überschneiden.
Grundsätzlich muss ich sagen, dass sich “Berenice” perfekt für Jüliger eignet. Vakuum und Unfollow hatten beide bereits diesen grund-depressiven Ton, der sich durch eine bedrückende und schwere Stimmung bemerkbar macht. Das Ganze ist aber so gut verpackt, dass es nicht erdrückend wirkt. Genau diese Stimmung passt hervorragend zu Poes Vorlage. Die Wahl für diese Adaption kommt also nicht von ungefähr.
Depressive Bilder in Mintgrün
Wie auch bei seinen vorangegangenen Werken zeichnet und koloriert Jüliger seine Bilder für “Berenice” selbst und sorgt damit für das gewisse Etwas. Die Bilder unterstreichen die Handlung perfekt und erzeugen die nötige Atmosphäre; alles wirkt wie aus einem Guss.
Die Wahl der Kolorierung fällt bei “Berenice” deutlich unaufgeregter aus und ist oft in einem blassen Mintgrün gehalten. Die Zeichnungen hingegen sind wieder sehr detailliert und dennoch comichaft stilisiert. Alleine das Cover zeigt sehr gut, was den Stil von Jüliger ausmacht: Eine Mischung aus Detailreichtum und Minimalismus, getragen von einer gewissen düsteren Tonalität.
Mein Fazit
Mit “Berenice” überträgt Lukas Jüliger eine Edgar Allan Poe-Geschichte sowohl optisch als auch inhaltlich in die Neuzeit, ohne dabei auf die Grundpfeiler des Originals zu verzichten. Für mich hat der Künstler genau ins Schwarze getroffen.
Zugegeben, die Tonalität des Comics ist für manche Lesende sicher keine leichte Kost, denn Themen wie Depression und Suizid sind allgegenwärtig. Jüliger behandelt dies aber auf eine sehr subtile Art. Er lässt die Dinge so stattfinden, wie sie sind, ohne sie reißerisch zu thematisieren. Das sorgt dafür, dass die Krankheiten und Probleme der beiden Hauptfiguren nicht verharmlost, sondern ungeschönt gezeigt werden – so, wie sie eben auch in der Realität stattfinden.
Besonders faszinierend ist, wie der Ich-Erzähler eine ganz besondere Beziehung zur zweiten Hauptfigur – dem Camgirl – entwickelt. Das zeigt eindrucksvoll, wie schnell eine parasoziale Beziehung entstehen kann – ein Phänomen, das wir bei Influencern und Co. immer wieder beobachten. Jüliger zielt hier auf parasoziale Beziehungen mit einem Hang zum Extremen ab, was sich wiederum perfekt mit der obsessiven Vorlage von Poe verknüpfen lässt.
An dieser Stelle komme ich zur Bewertung, die typisch für Jüliger-Comics ausfällt.
Meine Bewertung:
10/10 kleinen Erdnuss-Schokoriegeln
Hierbei handelt es sich um ein Rezensions-Exemplar.
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