Ich habe diesem Spiel sehr entgegengefiebert, denn es handelt sich um das Erstlingswerk des Verlags, sprich man kann einen nagelneuen Verlag beim Aufbau beobachten und das ganz ohne Kickstarter und es ist eine Cosim aus Deutschland.
Genau hier lag für ein paar auch das große Problem und der Verlag Furor Teutonicus Games musste einen gewaltigen Shitstorm über sich ergehen lassen. Ob jetzt was an der Sache dran ist oder nicht, ist mir persönlich egal, denn mir geht es um die redaktionelle bzw. herausgeberische Leistung des Verlags sowie um das Spiel von Dirk Blennemann, der auch kein gänzlich unbekannter ist.
Nach einiger zeitlicher Verzögerung (Umzug und so, ihr wisst bescheid) können wir uns nun endlich das Spiel anschauen und testen was es so kann…
Bevor es losgeht möchte ich mich aber noch bei Furor Teutonicus Games für das Rezensionsexemplar bedanken.
Crossing the Line: Aachen 1944
Wir befinden uns im Herbst 1944 und der allierte Vormarsch hat die Grenzen des Ruhrgebiets erreicht und wir versuchen die Wehrmacht zu einem Rückzugsgefecht zu zwingen oder natürlich Aachen zu halten.
Beginnen wir mit dem Material:
Das Material ist super. Wir haben schöne dicke Counter mit linen finish und die Spielerhilfen sind einfach verständlich und gut strukturiert und auf dünner aber stabiler Pappe gedruckt. Ganz besonders erwähnenswert finde ich dieses „Lesezeichen“… im Endeffekt handelt es sich um eine Schablone die an die CRT angelegt werden kann um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. So simpel, so gut.
Einzig einen Druckfehler auf einer Sorte counter habe ich gefunden, aber das ist dem Verlag schon bewusst und wird im zweiten Druck ausgebessert.
Die Regeln sind nicht sonderlich umfangreich und auch gut verständlich geschrieben. Nur ab und zu gab es mal eine kleine Unklarheit und ein paar wenige Male musste ich etwas länger suchen.
Ich bin ein großer Fan von der klassischen Strukturierung mit denen cosims meistens arbeiten, aber ich werde nicht müde anzumerken, dass so ein kleines Stichwortverzeichnis wie es gerne bei euro oder amertrash games verwendet wird oftmals helfen würde. Man findet zwar schnell die richtige Passage muss aber mitunter mal die ganze Regel durchlesen, da wäre eine Kurzzusammenfassung hilfreich.
Die Box hat eine angenehme Größe und zählt eher zu den kleineren Cosim-Boxen die ich im Regal stehen hab ist aber groß genug um sich alles ordentlich zu sortieren…
…und da wären wir bei der Kritik. Das Spiel ist so super produziert, aber leider wird keinerlei Aufbewahrungsmöglichkeit mitgeliefert. Keine Zip-Lock Beutel, kein counter tray nichts. Das finde ich schade, denn im Normalfall bekommt man immer zumindest genügend Zip-Lock Beutel mit.
Mein zweiter Kritikpunkt: die Karte. Sie ist super designed, grafisch top gestaltet, die Leisten sind gut und in vernünftiger Größe angeordnet, aber ABER es ist halt einfach nur eine paper map, ein gefaltetes Poster. Da hätte ich mir eine mounted map gewünscht, auf dickem Karton zum Aufklappen.
So groß ist dieser zweite Kritikpunkt allerdings nicht, denn schließlich ist man das ja von Cosim-Verlagen gewöhnt, da kommt relativ wenig mit mounted maps.
Bevor ich jetzt auf die Besonderheiten des Spiels eingehe noch einen Kritikpunkt vorneweg:
Das Spiel ist für 1 – 2 Spieler ausgeschrieben, sprich man kann es alleine spielen. Und damit meine ich nicht, wie bei cosims Gang und Gäbe gegen sich selber zu spielen. Wenn auf einer Box 1 Spieler steht, dann möchte ich einen schönen Weg haben es alleine zu spielen. Ich bin kein Fan der Highscorejagd gegen ein Zeitlimit wie bei anderen Spielen, aber selbst das ist spannender als der Solomodus hier da im Normalfall viele Zufallsfaktoren oder sonstige Einschränkungen das ganze nicht so einfach gestalten..
Der ausgewiesene Solo-Modus beschränkt sich auf ein Tontaubenschießen: Ich habe ein gewisses Zeitlimit und muss versuchen drei bestimmte Hexfelder zu räumen. Noch ok. Der einzige aktive Spieler bin ich. Ohkay… Die Gegner wehren sich nicht. Aha… Und mein Zeitlimit wird durch einen Würfelwurf bestimmt den ich nicht beeinflussen kann. Was?
Um mein Ziel zu erreichen habe ich nur bis zu fünf Aktivierungen. Wieviel ich aber in einer Aktivierung machen kann hängt von einem Würfelwurf ab.
Klar, kann man jetzt sagen, dass im Krieg nichts vorhersehbar ist, verstanden, aber für ein spannendes Solo-Szenario ist mir das alles zu beliebig.
Da hätte ich lieber die 1 auf der Spielerzahl gestrichen und das als Lernszenario ausgewiesen (ist es auch, aber eben zusätzlich als Solo-Szenario) aber selbst dann wäre es zu wenig, weil alleine von dem Szenario noch zu viel unangetastet bleibt.
Da finde ich es schade, dass der Designer keinen richtigen Solo-Modus oder eine Künstliche Intelligenz integriert hat.
Oder eine andere Idee wäre vielleicht ein Gast-Designer, der nur die Solo-Variante zusammenbaut, entweder mit Hilfe eines Kartendecks oder eines Flowcharts…irgendwas. So empfinde ich es als verpasste Chance bzw. vorprogrammierte Enttäuschung für jemanden der so denkt wie ich.
Das mag jetzt ziemlich hart klingen, ich bin aber noch nicht fertig…
Wenn man jetzt allerdings gegen sich selber spielt/spielen möchte, der findet hier ein super Solo-Spiel. Warum?
Das liegt an der Struktur des Zuges. Bevor ein Spieler was macht wird gewürfelt wer darf. Bei jeder Aktivierung.
Nachteil: es wird ne Menge gewürfelt – Vorteil: es ist nicht abzusehen wer dran ist, sprich man kann relativ plausibel gegen sich selber spielen.
Die Amerikaner haben klare Missionsziele, die Deutschen wollen keinen Meter preisgeben.
Eine Besonderheit im Kampagnenspiel ist, dass der Alliertenspieler die Missionsziele erst nach und nach erfährt während der Achsenspieler diese nur bei guter Spionage erahnen kann.
Das hat auch wieder vor und Nachteile. Im 2 Spieler Spiel ist das natürlich ein super Bluff-Element, im Solo-Spiel muss man sich dann irgendwas überlegen wie man den Blufffaktor simulieren kann.
Wenn der aktive Spieler ermittelt wurde bestimmt dieser einen seiner Kampfverbände und ermittelt in Abhängigkeit der generellen „Erschöpfung“ der Einheit die verfügbaren Aktionspunkte, wieder per Würfelwurf. Und genau hier liegt das Problem des Solo-Modus, selbst bei frischen Einheiten kann schlichtweg zu wenig rumkommen. Im 2-Spieler Spiel ist dies aber ein super spannendes Element. Wie weit pushe ich meine Einheiten? Ich weiß ungefähr wie viele „Erschöpfungspunkte“ ich regeneriere, aber das bedeutet auch, dass ich wenn ich konservativ spiele eventuell auch vorzeitig meinen Zug beenden muss.
Die restlichen Konzepte und Mechaniken mit denen das Spiel arbeitet sind bekannt und werden bis auf kleine individuelle Anpassungen genauso in anderen Spielen verwendet.
Die andere Besonderheit, abgesehen von der Aktivierung und der Erschöpfung bezieht sich auf das Kampfsystem.
Der jeweilige Kampfwert des Angreifers und des Verteidigers ist von einem Token abhängig den man blind zieht. Dieser Effektivitäts-Token multipliziert den eigenen Kampfwert mit 1,2 oder 3. Ja nach Situation des Angreifers oder Verteidigers gibt dies einen anderen Wert an…
Rein zufällig.
Ich muss fairerweise gestehen, dass ich keine Aufstellung gemacht habe ob verschiedene Situationen generell eher bessere oder eher schlechtere Werte haben, aber rein vom Gefühl her ist es doch relativ beliebig. Und hier ist auch der größte Kritikpunkt in diesem System.
Alles andere macht Sinn und ist gut gelöst, aber die Beliebigkeit in diesem Multiplikator macht den Kampf relativ unvorhersehbar.
Natürlich ist es thematisch und realistisch, aber für ein Spiel sehr speziell. Das muss man schon mögen, denn nach der Rechnung werden noch Modifikatoren angerechnet und gewürfelt. Es gibt also nicht den sicheren Sieg. Nie. Egal ob man mit Kanonen auf Spatzen schießt oder mit Steinen gegen Panzer, man kann den Lucky Punch setzen oder kassieren. Das kam in meinen Partien leider nicht so gut an.
Ich möchte es nicht schlecht reden, da uns die Geschichte zeigt, dass das Schlachtenglück eine richtige Bitch sein kann, noch mehr als sonst schon.
Das System ist super stimmig und in sich auch logisch. Nur sollte man wissen, was einen erwartet.
Ich persönlich hatte große Freude mit dem Spiel, vom Auspacken des Materials, über die eingängigen kurzen Regeln zum Spielverlauf selber. Auch wenn ich ein paar kleine Kritikpunkte hatte, sofern man mit dem Zufall klar kommt hat man hier ein super Spiel. Und nicht vergessen, das ist das Erstlingswerk, die können also NOCH besser werden.
Es gibt auch das eine oder andere Let’s Play auf Youtube und die Regeln auf BGG oder der Verlagsseite, ihr könnt euch also vorher ausgiebig informieren.
Wenn euch das Spiel zusagt, dann finde ich solltet ihr es euch unbedingt kaufen, denn ein kleiner deutscher Cosim Verlag der so eine Materialqualität liefert sollte unterstützt werden. Nur des Englischen solltet ihr mächtig sein, denn obwohl es von einem deutschen Designer und einem deutschen Verlag kommt sind die Regeln und sämtliches Material auf Englisch.
Wenn euch das Spiel zusagt, dann finde ich solltet ihr es euch unbedingt kaufen, denn ein kleiner deutscher Cosim Verlag der so eine Materialqualität liefert sollte unterstützt werden. Nur des Englischen solltet ihr mächtig sein, denn obwohl es von einem deutschen Designer und einem deutschen Verlag kommt sind die Regeln und sämtliches Material auf Englisch.
Das nächste Spiel ist schon schon in Arbeit, aber mehr dazu erfahren wir wohl erst in naher Zukunft.
Im Vorfeld zu dem Review habe ich ein paar Fragen an den Verlag geschickt die euch einen kleinen Einblick hinter die Kulissen ermöglichen.
Viel Spaß dabei und wir sehen und hören bei der nächsten Review oder Blog oder oder…
Mr. Schnizzl: Wie kam’s dazu, dass ihr als nagelneuer unbekannter Verlag einen renommierten Designer, der schon bei GMT veröffentlicht hat, dazu gewinnen konntet euch euer Erstlingswerk zu liefern?
Furor Teutonicus Games: Dirk Blennemann haben wir glücklicherweise über die GHS (Gesellschaft für histiorische Simulationen e.V.) kennengelernt. Wir haben dann recht schnell festgestellt, dass wir ähnliche Ansichten in Bezug auf ein gutes Spieldesign im Cosim-Bereich haben. Genannt seien hier etwa die Übersichtlichkeit der Komponenten, einfache Erlernbarkeit durch didaktisch sinnvoll aufbereitete Regeln und Spielhilfen, naja, sofern einfach bei Cosims möglich ist ;-), hohe Interaktivität und gute Qualität des Materials.
So kam eins aufs andere und wir haben losgelegt.
Wie war der Ablauf? Wie fertig war das Spiel als ihr es bekommen habt? Wieviel redaktionelle Arbeit war nötig und wieviel Einfluss hattet ihr noch auf das jetzt fertige Spiel?
Das Spiel war in den Grundzügen schon recht final. Es basiert ja auch auf einem früheren Design von Dirk. Allerdings haben wir im Grunde alles auf Links gedreht.
Die Karte wurde von uns von Grund auf neu aufgebaut. Dazu haben wir Satellitenbilder mit Kartenmaterial aus den 30er- und 40er-Jahren übereinander gelegt und darauf basierend die Map aufgebaut.
Daher musste hier naturgemäß viel Playtesting stattfinden, da wir ja eine komplett neue Karte hatten.
Auch mit der Order of Battle haben wir uns beschäftigt, hier war uns wichtig, dass wir bspw. die richtigen Panzer-Typen, die in der Schlacht von den einzelnen Einheiten verwendet wurden auch korrekt auf den Countern darstellen.
Am aufwändigsten war jedoch tatsächlich die Gestaltung der Regeln. Um es den Spielern so einfach wie möglich zu machen, haben wir sehr viel Wert auf umfangreiche und sinnvoll aufgebaute Spielhilfen gelegt.
Auch bei den Countern haben wir noch Anpassungen vorgenommen, um die Spielbarkeit zu erhöhen.
Das Zusammenspiel mit Dirk lief dabei super geschmeidig ab – er war unseren Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen und hat uns mit seinem Fachwissen und Ratschlägen super unterstützt.
Was sind eure zukünftigen Pläne? Bleibt ihr bei WW2? Bleibt ihr bei Hex and Counter Cosims?
Wir arbeiten zur Zeit an mehreren Spielen mit internationalen Designern zusammen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Hex & Counter Spiele, aber nicht nur.
Darunter sind einige Spiele, die nicht im WW2 spielen. Genannt sei hier etwa der Erste Weltkrieg und der Siebenjährige Krieg. Auch zu einem Spiel über die Antike haben wir erste Ideen auf dem Reißbrett.
Aber auch die Spiele, die im zweiten Weltkrieg spielen, thematisieren nicht zwangsläufig den Europäischen Schauplatz. Wir arbeiten beispielsweise auch an einem Spiel zum Pazifik-Krieg.
Ist das auch gleich wegweisend für die künftige Arbeit, sprich, sind die zwei drei angekündigten Spiele dann auch von ihm? Laut dem Interview von The Players Aid ist zumindest Breaching the Minefields sein Design.
Ja das ist richtig. Breaching the Minefields ist auch ein Design von Dirk. Hier sind wir in den finalen Zügen, es bedarf allerdings noch einiges an Playtesting und Finetuning.
Aber auch danach können wir uns gut vorstellen, noch lange weiter zusammen zu arbeiten.
Vielen Dank für eure Zeit und Mühen. Ich bin sehr gespannt, was ihr noch so in Zukunft zu bieten habt. Alles Gute“
Noch eine kurze Anmerkung zum Schluss:
Nach den eingangs erwähnten Schwierigkeiten bezüglich der Namensgebung haben die Jungs beschlossen sich in VUCA Simulations umzubenennen. Eine ausführlichere Erklärung dazu findet ihr auf deren Homepage.
[Ich persönlich hätte “Vulcan games” mit ner Minigun als Logo etwas griffiger gefunden, aber ich wurde nicht gefragt. 🙂 ]
Roll One – A Board Game Story Der Wöchentliche Blog Roll One – A Board Game Story, erscheint jeden Mittwoch neu, geschrieben von Mr.Schnizzl