März 19, 2024

Realismus vs Style vs Funktionalität -oder- Komponenten, mal schön, mal praktisch

Gale Force Nine hat angekündigt eines meiner Lieblingsspiele neu aufzulegen. Das gute alte Dune, das seit vielen Jahren out of print ist, das ich mir in mühevoller Heimarbeit selber gebastelt hab, soll zurückgebracht werden und das sogar mit der schicken Grafik-Design von Ilya (sein BGG username).

GEILO!

Vor allem dann alles mit schönen Komponenten, vielleicht sogar Miniaturen…für die verschiedenen Truppen und die Anführer. Boah, wär das cool…

…Mooooment mal…

…wär’s das wirklich?

In letzter Zeit (vor allem Dank Kickstarter) kommt es immer häufiger vor, dass Spiele als Deluxe Version neu auf den Markt geworfen werden und alles is schöner größer besser. Aber ist das auch wirklich immer so sinnvoll?

Ich möchte das mal anhand von Champions of Midgard, Scythe und Dune etwas näher betrachten.

Mein neuestes Beispiel ist Champions of Midgard.
In der deutschen Version ist materialtechnisch einiges schief gelaufen…und dann noch die Entscheidung auf eine „pre-production copy“ (quasi die erste professionell produzierte Version) zu verzichten um es schneller ausliefern zu können… Tja, hätte man mal die Zeit noch gewartet hätten die Fehler ausgemerzt werden können. So müssen jetzt alle mit minderwertigen Kopien leben.

Zurück zum Thema: Hier gibt es tolle Wikingerhelme (natürlich mit historisch fragwürdigen Hörnern) die als Punkteanzeiger dienen. Sehen nich schlecht aus… aber sind schon relativ groß. Aufstellen kann man sie nicht, dafür sind sie zu dünn. Für’s hinlegen sind sie etwas groß, aber da muss man dann halt übereinander stapeln.

Die Münzen sind dicke Holzscheiben, die erst noch beklebt werden müssen. Sieht ja ganz nett aus, aber warum werden die nicht bedruckt? Oder vielleicht sogar mit nem Hitze-branding versehen? Wäre doch mega… So geht es jedenfalls noch etwas weiter.

Warum ich mich da jetzt drüber echauffiere? Nunja, niemand braucht sie. Die mitgelieferten Tokens sind zum einen viel schöner gestaltet, handlicher und auch öfter enthalten. Klar, das Holzzeug is Kickstarter-Material, aber ganz ehrlich, ich hätte genauso gut auch drauf verzichten können und dafür lieber das Geld in allgemein besseres Material gesteckt.

Scythe wurde ebenfalls gleich mit allem ausgeliefert. Hier hatte man die Wahl was man nimmt. Sprich keine Material- und Platzverschwendung. Gut.

Hier wurde uns aber was anderes spendiert: realistische Tokens, Metallmünzen und ein riesen Brett. Klar, Scythe lebt etwas von dem enthaltenen Material, aber man hatte zumindest die Wahl was man machen möchte…
Das Problem, das sich bei Scythe aufgrund des Deluxe Materials zeigt ist Platz. Die Box wird ganz plötzlich ziemlich klein…

…und vor allem auch der Tisch. Die Spielbretterweiterung (braucht auch wieder kein Mensch) ist dermaßen groß, dass ich noch keinen Tisch gesehen habe auf den alles problemlos passt ohne den Platz der einzelnen Spieler auch noch einzunehmen. Allerdings ab einem gewissen Stadium im Spiel benötigt man fast schon den Platz auf dem größeren Spielplan, da sich ansonsten zu viele Einheiten und Ressourcen in einem Hex tummeln können und die Übersichtlichkeit dann schon sehr stark leidet.

Was ich damit sagen möchte ist, ihr könnt die Spiele schon größer machen, aber dann achtet bitte darauf, dass es immer noch ein vernünftig handlebares Maß bleibt.

Nach der Optik und dem Platz kümmern wir uns jetzt mit dem eingangs erwähnten Dune um die Funktionalität.

Klar wären Miniaturen für die Einheiten und auch die Anführer super oder irgendwelche Edelsteine für das Spice, aber das würde voll an der Spielbarkeit vorbeigehen. Bei Dune sind die Gebiete stellenweise sehr klein und es müssen trotzdem viele Einheiten reinpassen…und Spice…und nochmal ne Armee. Die Kampfwerte müssen auf einer Scheibe eingestellt werden und zusammen mit bis zu 3 Karten oder 1 Anführer verdeckt gehalten werden. Das geht nicht, wenn alles Miniaturen sind.

Bitte bitte Gale Force Nine, haltet euch ans ursprüngliche Design. Scheiben für die Einheiten und Tokens für die Leader sind absolut ausreichend. Vergesst nicht, dass man spielen können muss.

Wahrscheinlich denken sich die meisten gerade: Beschwert der sich gerade echt über Deluxe-Komponenten? Jaein.

Ich möchte nur die Fälle aufzeigen in denen Deluxe-r nicht immer besser ist, weil entweder die Spielbarkeit leidet, die anderen Komponenten in den Hintergrund rücken müssen oder alles einfach zu groß wird.

Nicht nur bei den Regeln gilt:

Fertig ist man dann, wenn man nichts mehr hinzufügen muss und nichts mehr wegnehmen kann.

Roll One – A Board Game Story  Der Wöchentliche Blog Roll One – A Board Game Story, erscheint jeden Mittwoch neu, geschrieben von Mr.Schnizzl